Segelflug
Segelfliegen – die tollkühnen Männer mit ihren schlabbrigen Hüten. Wie geht das mit dem Flug ohne Motor?
Die Essenz des Fliegens
Fliegen heißt, die Luft dazu zu benutzen, der Schwerkraft entgegenzuwirken. Im einfachsten Fall geht das mit einem Brett, das sich durch die Luft bewegt und so in den Fahrtwind gedreht ist, dass es die Luft nach unten weg drückt. Die Luft drückt das Brett im Gegenzug nach oben. Wenn man dann an dieses Brett noch einen bequemen Sitz schraubt und ein paar Steuerflächen, die auch nichts weiter tun, als die Luft so umzulenken, dass das Flugzeug nach Belieben des Piloten um alle drei Achsen in der Luft umher gedreht werden kann, dann hat man prinzipiell ein steuerbares Flugzeug.
Die Eleganz
Solche Brett-Flugzeuge wären aber ziemlich ineffizient, hässlich, plump und zickig im Steuerverhalten. Daher ersetzt man das Brett durch einen mit viel Erfahrung, Hirnschmalz und Computergehudel designten wohlgeformten Flügel, der nicht nur aerodynamisch viel effizienter ist als eine Spanplatte aus dem Baumarkt, sondern auch sehr viel stabiler bei relativ niedrigem Gewicht. Mit dem gleichen Enthusiasmus verfeinert man auch den Rumpf und die Steuerflächen und schon hat man ein Flugzeug, das sich an den Mann bringen lässt.
unser Duo Discus
Die Idee
Wenn sich das Flugzeug horizontal durch die Luft bewegt, zerrt der Luftwiderstand daran und bremst es ab. Je langsamer es wird, desto weniger Auftrieb kann der Flügel aber erzeugen und irgendwann reicht er beim besten Willen nicht mehr aus, um das Gewicht des Flugzeugs zu stemmen. Um das Verlangsamen zu verhindern, bedient man sich eines altbewährten Tricks: man rollt mit dem Flugzeug einfach einen Berg runter. Das wäre dann aber kein Fliegen mehr, also lässt man den Berg weg und nennt das ganze Gleitflug. Genau wie beim bergab Rollen zieht ein kleiner Teil der Schwerkraft das Flugzeug dabei nach vorne und bietet dem Luftwiderstand Paroli. Wenn der Pilot den Gleitwinkel flacher macht, wird diese Vortriebskraft kleiner, der Luftwiderstand überwiegt und das Flugzeug wird langsamer. Macht der Pilot den Gleitwinkel steiler, dann überwiegt die Vortriebskraft und das Flugzeug wird schneller.
Das ist alles, was man zum Fliegen braucht. Ein Motor ist lediglich optionales Zubehör. Jedes Flugzeug, ganz egal wie groß, unförmig und bunt, kann auch ohne Motor fliegen, eben im Gleitflug. Selbst ein 100 Tonnen schweres Space Shuttle gleitet antriebslos die gesamte Strecke zur Erde und landet, als wäre nichts gewesen.
Die treibende Kraft
Damit Segelflugzeuge nicht dazu verdammt sind, unweigerlich bis zum Boden abzugleiten, bedienen sie sich des gleichen Tricks wie Greifvögel, die zu faul sind, sich die ganze Zeit mit Flügelschlägen in der Luft zu halten: sie nutzen einen Fremdantrieb. Dieser hat eine Leistung von 400 Yottawatt (Für die Auto-Tuner: 500 Millionen Milliarde Milliarde PS), befindet sich aus Sicherheitsgründen etwa 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und sorgt gerade bei hellhäutigen Menschen oft für Sonnenbrand.
Segelflieger nutzen einen klitzekleinen Bruchteil dieser Energie auf Umwegen. Sie warten, bis die Sonne den Erdboden erwärmt und damit auch die Luft, die auf ihm liegt. Die Luft dehnt sich aufgrund der Erwärmung aus und schwimmt auf der umgebenden kühleren Luft auf, wodurch sie immer höher und höher steigt. Diese aufsteigende Luft nutzen Segelflieger als Fahrstuhl: wenn die Luftmasse schneller steigt, als das Flugzeug in ihr sinkt, dann gewinnt es insgesamt an Höhe. Das ist die in den Pilotenanekdoten so oft beschwörte “Thermik”.
Daneben gibt es auch noch weitere natürliche Phänomene, die das Segelflugzeug mit Energie füttern können, etwa Hangaufwinde, Leewellen oder horizontale Windscherungen. Diese sind in unserer Region aber nur selten nutzbar.
unsere ASK 21 beim Thermikkreisen
Der Pilot
oder politisch korrekt der/die Luftfahrzeugführer/in ist der amüsanteste Teil der Prozedur. Mit Fachwissen bis Oberkante Unterkiefer gewappnet und einem staatlich zertifizierten Kompetenznachweis in Form von sauber gestempelten Lizenzen zur Bestätigung der Luftsüchtigkeit stürzt er sich auf seinem treuen Ross voller Elan in die Elemente auf der Suche nach dieser ominösen Thermik. Mit Adlerauge analysiert er Himmel und Erde, kombiniert selbst kleinste Nuancen in Windeseile zu einem taktischen Gesamtbild und karriolt anschließend zielstrebig unter dem hämischen Gelächter von Greifvögeln und Fliegerkameraden an der Thermik vorbei, bis ihn entweder der Flugplatz oder irgendein im Gleitpfad liegender Acker wieder auf den Boden zurück holt. Und weil auch blinde Hühner ab und zu Körner finden, stolpert jeder Freizeitaviator früher oder später doch noch durch die Thermik und bleibt längere Zeit oben.
Manche Hühner befinden sich so weit im positiven Bereich der Kornstatistik, dass man das nicht mehr mit Zufall alleine erklären kann und spricht dann von Erfahrung. Erfahrene Segelflugpiloten haben das so gut im Griff, dass sie an einem guten Tag in unseren Breiten mehrere hundert oder sogar über tausend Kilometer an Strecke alleine durch Nutzung der Thermik zurücklegen.
Dabei kreisen sie so lange in einem Aufwind, bis sie genügend Höhe erreicht haben – typischerweise 1500-2000 m – um dann bis zum nächsten Aufwind abzugleiten und dort wieder “aufzutanken”. Das Spiel wird so lange fortgesetzt, bis sich eine beachtliche Strecke gesammelt hat und der Pilot am Ende des Tages wieder am Heimatflugplatz landet und der staunenden Audienz breit grinsend in objektiver Reinstform ohne die geringste Übertreibung von seinen Erlebnissen erzählt.
Dieses Finden und saubere Ausfliegen der Thermik entlang einer in Anbetracht der Wetterbedingungen taktisch klug gewählten Route ist die hohe Kunst des Streckensegelflugs. Manche Piloten haben es nicht so eilig und fliegen einfach nur entspannt in der Gegend herum, andere gehen ihrer Sucht nach “Vitamin g” nach, indem sie etwas fester am Steuerknüppel ziehen und vertikale Kreise und ähnliche sinnfreie Figuren durch die Luft ziehen.
Segelflug ist ein sehr vielseitiger und äußerst faszinierender Sport und wir freuen uns jederzeit, dem interessierten “Fußgänger” den Traum vom Fliegen näherzubringen – sei es als unverbindlicher Schnupperflug oder in der Ausbildung zum Piloten.
- Ansprechpartner und Leiter der Sportfachgruppe
Marc Philippi
Email: marc.philippi@lsc-dillingen.de